Wie entsteht eine sichere Bindung?
Was brauchen unsere Kinder?
Eine sichere Bindung ist die Basis, die Kinder brauchen, um sich gut zu entwickeln. Aber wie machen sich Anzeichen für eine unsichere Bindung bemerkbar? Und wie entsteht eine sichere Bindung? Das Bindungsverhalten wird früh gestartet und beeinflusst die kindliche Entwicklung erheblich. Das ist wissenschaftlich erforscht und bestätigt. Hier lernst du mehr zum Bindungsverhalten von Kindern, Babys und Eltern.
Du findest hier die Erkenntnisse aus Studien und Artikeln:
Zum Thema Bindungsverhalten bei Kindern bist du hier für jede Altersgruppe richtig, wenn du dich für den Aufbau der Eltern Kind Bindung interessierst. …Oder für unsichere Bindung und deren Entstehung. Bindung wird zwar bei Babys initiiert, ist jedoch in Folge auch für ältere Kinder relevant und kann lebenslang beeinflusst werden.
Was ist Bindungsverhalten – einfach erklärt
Bindungsverhalten bezeichnet die emotionalen und sozialen Interaktionen zwischen einem Kind und seinen Bezugspersonen. Die primären Bezugspersonen – meist die Eltern – sind dabei besonders wichtig. Es ist ein biologisch verankertes – lebensnotwendiges – Verhalten, das darauf abzielt, Sicherheit und Schutz zu gewährleisten. Es äußert sich durch Signale wie Körperspannung, Weinen, Lächeln oder das Suchen von Nähe.
Besonders in den ersten Lebensjahren entwickelt ein Kind durch wiederholte Erfahrungen mit seinen Eltern und anderen Bezugspersonen sein eigenes Bindungsmuster und ein Urvertrauen in die Welt oder ein Urmisstrauen.
Die vier Bindungstypen nach Bowlby, Ainsworth und Robertson
John Bowlby, Mary Ainsworth und James Robertson haben sich intensiv mit dem Bindungsverhalten von Kindern beschäftigt und dabei maßgeblich herausgefunden wie eine sichere Eltern Kind Bindung entsteht.
John Bowlby machte bereits in den 1930er Jahren Beobachtungen, dass verhaltensauffällige Jugendliche und junge Erwachsene in jungen Jahren häufig suboptimale Beziehung zur Mutter erlebt haben. Er legte damit den Grundstein für unsichere Bindung und deren Auswirkungen. Daraufhin erforschte er Bindungsverhalten bei Kindern und die Frage “Wie entsteht eine sichere Bindung?”.
Hier dazu die Grundlagen:
Das Bedürfnis nach Bindung und Bindungsverhalten
ist bei Babys bereits angeboren und damit ein biologisches Grundbedürfnis.
Eine sichere Eltern Kind Bindung
entsteht vor allem mit den Eltern und im ersten Lebensjahr, aber auch deutlich darüber hinaus (Bowlby, Ainsworth, Grossmann und viele weiteren).
Sie erlaubt dem Kind Entwicklung: zu lernen. Es gewinnt durch die Bindung überhaupt erst das Vertrauen, die Welt um sich zu erforschen.
Immer die Mama?
Weitere Bezugspersonen sind positiv für Kinder. Auch Väter und Menschen außerhalb der Familie können enge Bindungspersonen oder auch die Hauptbindungsperson werden (Klaus & Karin Grossmann).
Vorausgesetzt sie reagieren empathisch und prompt auf die Signale des Babys und werden lange genug und mit Sicherheit aneinander gewöhnt.
Eltern Kind Bindung hat lange Auswirkungen
Die Bindung von 12-18 Monate alten Babys wird voraussichtlich auch den späteren Erwachsenen noch begleiten (Mary Ainsworth).
Allerdings kann dies im Laufe des weiteren Lebens weiterhin beeinflusst werden. Und ein beispielsweise zur Mutter unsicher gebundes Kind, kann eine sichere Bindung zum Vater und/oder anderen Bindungspersonen aufweisen (Gloger-Tipelt et al., 2007).
Die Bedeutung von Bindungsverhalten bei Kindern
Ein Kind kann ohne Bezugsperson nicht überleben. Vergleicht man Bindungsverhalten mit dem anderer Säugetieren, ist es lange völlig abhängig. Wäre es in der menschlichen Vergangenheit irgendwo alleine gewesen, wäre es sein sicherer Tod.
Aus diesem Grund suchen Babys und Kinder Schutz vor Gefahren, Fremden, unbekannten Dingen und neuen oder angsteinflößenden Situationen!
Lange erreichen Kinder Schutz nur, durch physische Nähe zu einer Bindungsperson. Deswegen fordern sie diese auch durch ihr typisches Bindungsverhalten so vehement ein: Arme in Richtung der Eltern ausstrecken, schreien, weinen, hinlaufen oder festklammern.
Subtilere Anzeichen
Die Mimik und die Muskelspannung also der Muskeltonus, zeigt sich im Gesicht, am Kiefer, dem Blick und bei Babys und Kindern auch schon sehr früh an beispielsweise angespannten Fäustchen.
Zustandsveränderungen, wie einsetzende Unruhe, sich ändernde Aufmerksamkeit sind weitere frühe Anzeichen.
Unabhängigkeit & Selbstständigkeit
wünschen sich viele Eltern für ihre Kinder. Doch Bowlby betont:
… dass diese Abhängigkeit von den Eltern real gegeben ist und die umgekehrte Interpretation das Kind unabhängig machen zu “müssen”, das Gegenteil bewirkt.
Umso mehr Druck, du auf das Kind ausübst, eine für es unangenehme Situation möglichst alleine zu überwinden, umso mehr drängst du es in ein Bindungsverhalten.
Bindungsverhalten – wie entsteht eine sichere Bindung
Eine sichere Eltern-Kind-Bindung entsteht durch ein stabiles und einfühlsames Bindungsverhalten der Eltern. Je kleiner das Kind, desto wichtiger ist auch die Schnelligkeit der Reaktion.
Wenn Eltern zuverlässig auf die Bedürfnisse ihres Kindes reagieren, es trösten, ermutigen und emotionale Nähe bieten, entwickelt das Kind Vertrauen und Geborgenheit. Feinfühligkeit, Körperkontakt, Blickkontakt, Kommunikation und gemeinsame Rituale stärken die Bindung zusätzlich. Ein liebevolles Bindungsverhalten fördert das Selbstvertrauen des Kindes und bildet die Grundlage für eine gesunde emotionale Entwicklung.
Die 5 wichtigsten Faktoren für eine sichere Bindung
1. Kommunikation
Ist unendlich wichtig. Das Bindungsverhalten von Kindern startet bereits in der Schwangerschaft. Und umso größer dein Kind wird, geht es in der Beziehung darum, in Kontakt zu bleiben, sich gegenseitig zuzuhören. Damit dein Kind weiß, dass es jederzeit zu dir kommen kann. Dazu gehört auch Konflikte gut miteinander zu lösen.
2. Haltung
Babys und Kleinkinder fühlen sehr zuverlässig, ob du meinst, was du sagst. Ob du dein Kind für sein Wesen selbst liebst oder spezifische Erwartungshaltungen stellst oder einfach nur tust, was gerade “getan werden muss” ohne echten Fokus auf dein Kind.
3. Berührung
fördert die Ausschüttung des Bindungshormones Oxytocin. Insbesondere wenn es Hautkontakt zueinander gibt. Auch bei einem Teenie spielen Berührungen noch eine Rolle. Da mag es jedoch ein High-Five im Vorbeigehen sein. Für sehr viele jüngere Kinder zählt auch Tragen dazu:
3a. Tragen
Tragen ist auch sehr gut geeignet, um weitere Bindungspersonen mit deinem Kind vertraut zu machen und andersherum. Viele Kleinkinder werden gerne getragen. Das ist immer noch ein typisches Bindungsverhalten bei Kindern.
4. Blickkontakt
Lerne die Signale im Ausdruck kennen. Für dein Kind ist es in neuen Situationen und unbekannter Umgebung häufig wichtig, dich sehen zu können. Dein Baby oder dein Kind nimmt darüber hinaus auch wahr, ob es deine ungeteilte Aufmerksamkeit hat oder eben nicht.
5. Spielen lassen
Auch das Spielen ist ein wichtiger Teil für das Bindungsverhalten bei Kindern. Lass ihm Zeit und sag ihm nicht, was es im Spiel tun soll. Kinder lernen im Spiel und mit der eigenen Erfahrung.
Was ist eine unsichere Bindung?
Erschreckend: nicht mal die Hälfte der Kinder sind sicher gebunden.
Bei Kindern und Babys wechseln sich das Bedürfnis nach Bindung und der Forscherdrang ab. Dieser spielt in der Bindungstheorie eine ganz wesentliche Rolle und ist auch eine Art Grundbedürfnis. Er spielt eine wichtige Rolle beim Test zur Bindung, den Mary Ainsworth entwickelte. Dieser identifizierte verschiedene Arten der Bindung.
Ich zeige dir jetzt, woran eine unsichere Bindung erkannt wird. Deswegen schildere ich dir die 4 Bindungstypen gleich detailliert. Dazu in Kürze wichtige Infos zum Test:
Die vier Bindungstypen nach Bowlby & Ainsworth
Fremde Situations-Test
Der Test bei Kindern zwischen 12 Monaten und 18 Monaten gibt wichtige Auskünfte zu Bindungsarten.
Der Testraum ist gemütlich, aber für das Kind und die Mutter neu. Dann tritt eine fremde Person in den Raum ein, und die Mutter verlässt kurz danach für kurze Zeit das Zimmer.
Der Trennungsmoment und die Wiedervereinigung sind wichtig. Diese zeigen das Bindungsverhalten und die Eltern Kind Bindung am deutlichsten.
Es wurden durch diesen Test 4 Bindungsarten identifiziert:
Sicher gebundene Kinder (B Typ)
Wenn die Bindungsperson den Raum verlässt, ist das sicher gebundene Kind im wahrsten Sinne des Wortes untröstlich. Es weint oder schreit und lässt sich von der fremden Person nicht trösten.
Wenn die Bindungsperson wiederkommt, sucht das Kind Körperkontakt. Es lässt sich in dieser Haltung innerhalb kurzer Zeit beruhigen. Auch Cortisoltests (Speicheltest) zeigen, dass der Stress sofort abnimmt!
Unsicher-vermeidend gebundene Kinder (A Typ)
Diese Kinder wirken sehr unkompliziert. Sie protestieren nicht stark, widmen sich voll und ganz dem Spielzeug. Allerdings reagieren sie genauso wenig auf die Rückkehr der Mutter.
Man weiß dank dem Speicheltest, dass diese Kinder sehr wohl ein hohes Stressempfinden haben, und über mehrere Stunden gestresst bleiben.
Woher kommt dieses Bindungsverhalten?
Bindungspersonen gehen nicht feinfühlig auf die Bedürfnisse ein. Oder die Eltern haben häufig keine Zeit und belohnen das selbstständige Spiel. Dadurch entsteht eine Pseudo-Selbstständigkeit.
Unsicher-ambibvalent gebundene Kinder (C Typ)
Bei der Trennung sind die Kinder sehr verunsichert, ähnlich wie bei der sicheren Bindung. Der Unterschied liegt darin, dass das Kind bei der Rückkehr extrem klammert und sich kaum beruhigen lässt und zusätzlich vielleicht auch sauer auf die Mutter ist.
Der Speicheltest zeigt: Die Stressregulation durch die Beziehungsperson funktioniert nicht, der Stress bleibt bestehen.
Woher kommt dieses Bindungsverhalten?
Das Kind hat keine Sicherheit, da es unbeständige und unberechenbare Erfahrungen macht. Es weiß nicht woran es ist, und hat echte Angst, dass die Bezugsperson nicht zurückkommt oder unvermittelt wieder geht.
Kinder mit desorganisiertem Verhaltensmuster (D Typ)
Diese Kinder haben keine klare Strategie was sie tun sollen. Sie fallen durch bizarre Verhaltensweisen auf: schaukeln, sich im Kreis drehen, Erstarren. Sie können weder mit der Trennung, noch der Rückkehr umgehen. Die Kinder sind gelähmt vor Angst. Der Cortisolspiegel ist ständig erhöht.
Woher kommt dieses Bindungsverhalten?
Dies sind häufig Kinder, die Gewalt durch ihre Bezugspersonen erfahren haben. Sie haben eine fürchterliche Ausgangslage, denn sie haben zum einen Angst vor der Bezugsperson. Zum anderen aber sind sie auf sie angewiesen, da diese Person ihr Überleben sichert und sie versorgt.
Fazit – was bedeutet das für dich?
… keine Panik, nur weil dein Kind möglicherweise zurückhaltend ist, ist das noch keine unsichere Bindung. Der Charakter spielt dabei eine wesentliche Rolle (Zentner, 2008). Und der Test ist eben nur aussagekräftig mit einem Alter des Kindes von 12-18 Monaten – in exakt dieser Situation und Durchführung.
Aber
…was du das als Kind selbst erlebt hast, lebst du unbewusst nach. Das nennt sich transgenerationale Weitergabe. Im Jahr 2000 waren in Deutschland lediglich 45% der Kinder sicher gebunden (Gloger-Tippelt et. al)!
Nicht einmal die Hälfte der heutigen Eltern sind selbst sicher gebunden sind. Das heißt, sie geben womöglich unbewusst dieses Bindungsverhalten – also die unsichere Bindung – weiter an die eigenen Kinder.
Vielleicht geht es auch dir so, dass du häufiger schimpfst als du es eigentlich willst. Und du nicht immer so ruhig und geduldig bist, wie du es gerne wärest. Das lässt sich aber lernen.
Hilfe bei der Erziehung
Denn Herausforderungen mit Kindern gibt es immer wieder und insbesondere auch ganz unterschiedliche. Darum lernst du mit mir wirksame Lösungen kennen, die zu dir und deinem Kind passen und mitwachsen.
Tipps und Übungen
Für eine sichere Eltern Kind Bindung, mach dir bewußt …
Zuverlässigkeit und Feinfühligkeit
Babys und Kinder binden sich an Menschen, die empathisch, feinfühlig, liebevoll, zuverlässig und schnell auf ihre Signale eingehen.
Wenn sie die Wahl haben, können sie also mehrere gute Beziehungen aufbauen, sofern die Bindungspersonen diese Kompetenzen mitbringen und eine geduldige Gewöhnung an die Person erfolgt ist.
Lerne dein Baby und Kind kennen!
Nimm dir Zeit dafür: schau es an, lege es auch nackt auf deine Haut. Das produziert das wichtige Bindungshormon Oxytocin. Und das kann übrigens auch der Papa oder die Großeltern machen.
Umso besser du das Bindungsverhalten deines Babys und späteren Kindes verstehst, umso besser kannst du auf es eingehen. Das ist eine wichtige Basis für eure Beziehung.
Ein “Mama-Kind” oder ein klammerndes Baby ist kein Nachteil.
Ganz im Gegenteil. Bowlby’s Sichtweise dazu ist mir sehr sympatisch.
Er sagt, dass diese Abhängigkeit des Kindes real gegeben ist und die umgekehrte Interpretation das Kind unabhängig machen zu “müssen”, das Gegenteil bewirkt. Je mehr Druck du auf das Kind ausübst, eine für es unangenehme Situation möglichst alleine zu überwinden, umso mehr drängst du es in ein Bindungsverhalten.
Achte auf die Bedürfnisse deines Kindes, dann kannst du nichts falsch machen.
Wenn du bedürfnisorientiert mit deinem Baby und Kind umgehst, dann kannst du nichts falsch machen! … nur Wünsche solltest du nicht mit echten Bedürfnissen verwechseln. 🙂
Es ist nie zu spät etwas zu ändern.
Wenn du erkennst, dass dich eigene Vorerfahrungen in deinem Umgang mit deinen Kindern prägen, dann kannst du das aufarbeiten. Du kannst jederzeit entscheiden es anders zu machen!
D. Baumrind (1996) : The discipline controversy revisited. Family relations, 45, 405-414. Bekanntes Zitat von Diana Baumrind: “Kinder brauchen erst Wurzeln, dann Flügel.“
John Bowlby (2005): A secure Base.
John Bowlby (2005): The Making and Breaking of affectional Bonds.
Karl Heinz Brisch (2010): SAFE – sichere Ausbildung für Eltern.
K.H. Brisch und T. Hellbrügge (2015) – Bindung und Trauma. Risiken und Schutzfaktoren
Deutschlandfunk Kultur (2018): Die Elternschule. Link: https://www.deutschlandfunkkultur.de/umstrittener-film-elternschule-die-kinder-sind-in-maximaler-100.html
G. Gloger-Tippelt, J. Vetter, H. Rauh (2000): Untersuchungen mit der “Fremden Situation” in deutschsprachigen Ländern: Ein Überblick. In: Psychologie in Erziehung und Unterricht, 47 (2000) 1, S. 87-98
G. Gloger-Tippelt, L. König, K. Zweyer (2007) Bindungsverhalten zu Mutter und Vater und Bindungsrepräsentation bei Kindern im Alter von fünf bis sieben Jahren.
Klaus und Karin Grossmann (1987): Die Bedeutung der frühen Mutter-Kind Beziehung. Ergebnisse und Forschungen.
G. Spangler, P. Zimmermann (2009): Die Bindungstheorie. Grundlagen, Forschung und Anwendung.
W. Senf, M. Broda, D. Voos, M. Neher (2020, 6. Auflage): Praxis der Psychotherapie.
E. Wild, M. Hofer und R. Pekrun (2006): Psychologie des Lernens. In Pädagogische Psychologie: Krapp A, Weidenmann B (Eds); Weinheim: PVU: 203-268.
M. L. Verhage, C. Schuengel, R. Duschinsky, M. H. van IJzendoorn, R. M. P. Fearon, S. Madigan, G. I. Roisman, M. J. Bakermans-Kranenburg, M. Oosterman (2020): The Collaboration on Attachment Transmission Synthesis (CATS). A Move to the Level of Individual-Participant-Data Meta-Analysis.
Zentner, M.R. (2008): Der Einfluss des Temperaments auf das Bindungsverhalten.
In: Ahnert, L. 2008, 175-197