Was ist autoritäre oder autokratische Erziehung?
Folgen, Nachteile, Beispiel
Du möchtest wissen, was ist autoritäre Erziehung? Du interessierst dich dafür, wie deine Erziehung auf deine Kinder wirkt oder wie die autoritäre Erziehung deiner Eltern dich selbst heute beeinflusst? Du willst verstehen, was autoritär erziehen bedeutet? Dann bist du hier genau richtig. Autoritäre Erziehung Beispiel, Definition, Folgen und mehr.
Ab jetzt geht es in diesem Artikel um:
In meinem Blog findest du übrigens auch Infos zu weiteren Erziehungsstilen, die dich interessieren könnten. Hier findest du die verschiedenen Erziehungsstile gesammelt (Link folgt).
Die autoritäre Erziehung ist auch heute noch eine der meistverwendeten Erziehungsstile. Auch wenn die autoritäre Erziehung nicht mehr dieselbe ist, die unsere Großeltern erlebt haben, so haben auch heutige autoritäre Erziehungsansätze negative Folgen.
Aber starten wir erstmal mit der „Definition autoritäre Erziehung“, damit wir beide dasselbe Verständnis davon haben.
Was ist autoritäre Erziehung eigentlich – die Definition
Autoritäre Erziehung – Definition – daran erkennst du diesen Erziehungsstil:
Die autokratische Erziehung
ist nochmal eine Steigerung der autoritären Erziehung. Mehr darüber findest du im Blogpost: Autokratische Erziehung.
Autoritäre Erziehung Beispiel:
Es gibt also nicht das eine typische „Autoritäre Erziehung Beispiel“, wodurch du diese Art der Erziehung erkennst. Es ist vielmehr eine Haltung, die das autoritär Erziehen prägt.
Dazu einige Denkanstöße, die dir helfen werden sie zu erkennen:
Autoritäre Erziehung Beispiel
“Auch das schreiende und widerstrebende Kind muss tun, was die Mutter für nötig hält, und wird, falls es sich weiterhin ungezogen aufführt, gewissermaßen, kaltgestellt‘, in einen Raum gebracht, wo es allein sein kann, und so lange nicht beachtet, bis es sein Verhalten ändert.”
Aus dem Buch “Die Deutsche Mutter und ihr erstes Kind” von Johanna Haarer. Es wurde zu Zeiten der Nationalsozialisten genutzt, um Eltern beizubringen, was „richtig im Umgang mit Kindern“ sei. Dabei wurde gezielt die Bindung zu den Eltern gestört. Das Buch selbst war leider noch bis fast in die 90er Jahre (!) auf dem Markt und wurde millionenfach verkauft und gelesen. Auch wenn die beschriebene Vorgehensweise eine autokratische Erziehung ist, beruht die Haltung, um autoritär erziehen zu “wollen” häufig noch auf weitergegebenen Inhalten aus diesem Buch.
Denn das geschilderte elterliche Verhalten erlebten viele unserer Großeltern. Daher kommt übrigens auch die Angst unsere Kinder zu verwöhnen oder dass sie zu Tyrannen werden könnten.
Ein Grund für die noch heute weitverbreitete autoritäre Erziehung ist die transgenerationale Weitergabe.
Autoritäre Erziehung wird trotz negativer Folgen weitergegeben!
Die transgenerationale Weitergabe bedeutet, dass Eltern (häufig unbewusst) dieses Erziehungsverhalten weitergeben. Deine Großeltern an deine Eltern, deine Eltern an dich und so weiter.
Deswegen taucht in Social Media beispielsweise der Hashtag Cyclebreaker in diesem Kontext auf, um die Weitergabe schädlicher Erziehungsaspekte und „autoritäre Erziehung & Folgen“ bewusst zu machen und den Cyklus bewusst zu unterbrechen.
Gloger-Tippelt et. al zeigten 2000 auf, dass im deutschsprachigen Raum nur ungefähr 45% der Kinder sicher gebunden waren. Das hieße, dass heute nur knapp über die Hälfte der Eltern selbst eine sichere Bindung haben. Ein prozentual hoher Anteil an Eltern gibt also womöglich unbewusst unsicheres Bindungsverhalten an die eigenen Kinder weiter. Was bedeutet das im modernen Kontext?
Konkretisiertes Beispiel für autoritäre Erziehung
In heutigen Erziehungsdebatten geht es weniger um die Prügelstrafen, wie man an den ersten Beispielen für die autoritäre Erziehung oben im Artikel bereits sieht. Denn körperliche Strafen sind in der Erziehung in Deutschland seit 2000 verboten.
Verwunderlich ist dennoch, dass in aktuellen Studien immer noch über 45% der Deutschen davon ausgehen, dass körperliche (!) Strafen in der Erziehung notwendig seien (Studie Prof. Jörg Fegert, Uniklinikum Ulm; Unicef, 2020).
Und noch deutlich häufiger wird psychische Gewalt wie Drohen, Strafen und Schreien verwendet. Jedoch hat diese psychische Gewalt dieselben Auswirkungen, wie körperliche Gewalt gegenüber Kindern.
Autoritäre und autokratische Erziehung: Folgen bei Grundbedürfnissen
Denn durch die hohen Forderungen, starke Kontrolle und dem Anwenden von Strafen entsteht eine emotionale Distanz in der Beziehung. Das ist gleichzeitig besonders belastend in der Beziehung zu Eltern und anderen Bezugspersonen, weil das gleich mehrere menschliche Grundbedürfnisse verletzt:
die sichere Bindung
Für die sichere Bindung ist es wichtig, dass die Bezugsperson prompt, zugewandt und zuverlässig auf die Signale der Kinder reagieren. Diese also eine hohe und zuverlässige Responsivität zeigen. Das ist bei der autoritären Erziehung nicht der Fall.
Bindungserfahrungen machen jedoch aus, wie Erwachsene später Beziehungen gestalten und bedingen auch wesentlich unser Selbstwertgefühl. Die autoritäre Erziehung ist dafür demnach eine schlechte Ausgangslage.
die Sicherheit
Die Sicherheit ist bei der autoritären Erziehung aus mehreren Aspekten betroffen: Strafen, die in der autoritären Erziehung verwendet werden, haben immer negative Folgen. Auch emotionale Strafen wie Schreien, Drohen, Schimpfen und so weiter.
Es ist jedoch auch erwähnenswert, dass Konsistenz in der Erziehung durch Regeln, Struktur und Grenzen Sicherheit bietet: die in Studien positive Auswirkungen auf die Kindsentwicklung zeigen. Das Bedürfnis nach Struktur und Ordnung wird auch als menschliches Grundbedürfnis geführt.
Das Bedürfnis der Selbstwerterhöhung
Es geht bei diesem Bedürfnis unter anderem darum, für die eigene Persönlichkeit gemocht und geliebt zu werden. Also unabhängig von dem, was ein Kind leistet oder kann. Aber auch darüber hinaus um Wertschätzung, für das, was es kann.
Kinder möchten Dinge schaffen und sie möchten, dass wir ihnen das zutrauen und sie einbeziehen. Das ist in der autoritären Erziehung jedoch auch nicht der Fall.
Eine Erziehungsform die gleich mehrere menschliche Grundbedürfnisse missachtet, kann mit nichts gerechtfertigt werden. Sie hindert eine gesunde Entwicklung.
Autoritäre Erziehung und weitere Folgen
Was bewirkt die autoritäre Erziehung also genau? Die Folgen jeden Erziehungsstiles sind immer abhängig von dem, was konkret gelebt wurde. Das ist vermutlich auch in jeder autoritär erziehenden Familie unterschiedlich.
Kinder lernen durch Vorgelebtes:
Nicht durch das, was wir ihnen sagen. Das bedeutet, wenn sie Härte erleben, werden sie Härte weitergeben. Auch sich selbst gegenüber werden sie sehr kritisch sein und einen Fokus auf die eigenen Defizite legen und eigene Stärken möglicherweise nicht erkennen und nutzen. Diese Kinder lernen auch nicht sich konstruktiv einzubringen.
Kinder leben Hierarchien und Machtgefälle nach
Aufgestauter Frust wird an schwächeren Kindern ausgelassen. Kinder, die in der Erziehung starke Machtgefälle erleben, leben diese nach, auch um sich als wirksam und wertvoll zu empfinden. Dafür wird die Zugehörigkeit in Gruppen sortiert: Wer ist „stark“, wer ist „schwach“. Die Gruppendynamik wird möglicherweise durch Anführer, Mitläufer und Opfer definiert, wie auch beim Mobbing (verlinken). Kurt Lewin wies bereits in Experimenten nach, dass autokratische Erziehung bei Kindern aggressive Verhaltensweisen bewirkt.
Unzureichende soziale Kompetenzen
Denn ein sehr hohes Maß an Kontrolle behindert das Lösen von Konfliktsituationen zu lernen. Das heißt sie entwickeln eine gewisse Abhängigkeit im Vorgehen beispielsweise auch in der Entscheidungsfindung durch andere. Mehr dazu kannst du auch in dem Artikel zu Rasenmäher Eltern lesen, denn auch sie leben diese enorm hohe Kontrolle.
Folgen emotionaler Strafen
Aus diversen auch aktuellen Studien ist bekannt, dass psychische und emotionale Strafen, dieselben Folgen bewirken wie körperliche Disziplinierung. (Clemens, Huber-Lang et al. 2018 und Witt, Brown et al. 2019). Denn Kinder, die psychische oder physische Gewalt erleben, sind massivem Stress ausgesetzt.
Gewalt in der Erziehung beeinflusst die Entwicklung von Fähigkeiten
Lernen zu können und positive Beziehungen eingehen zu können ist eingeschränkt. Dies hat sogar Folgen für die kognitiven Fähigkeiten des Kindes. Psychosoziale Beeinträchtigungen sind möglich und haben später sogar wirtschaftliche Auswirkungen (Habetha, Bleich et al. 2012): Außerdem bedeutet auch psychische Gewalt eine signifikante Verringerung der Lebensqualität und eine erhöhte Anfälligkeit für psychische als auch somatische Gesundheitsprobleme (Hughes, Bellis et al. 2017).
Wenn Kinder später selbst Eltern werden
Eltern, die selbst „nur“ psychische Gewalt erlebt haben, wenden wahrscheinlicher psychische und auch körperliche Gewalt in der Erziehung ihrer Kinder an (Unicef, 2020).
Gestörtes Urvertrauen und unsichere Bindung
Viele betroffene Kinder fühlen sich wertlos und ohnmächtig, verlieren das Vertrauen in Erwachsene und sich selbst, entwickeln weniger Selbstvertrauen und leiden unter Angst oder Depressionen. Das sind übliche Anzeichen für Menschen, die eine unsichere Bindung erleben. Auch beeinflusst ihre Erfahrung mit der Bindung ihr späteres Beziehungsverhalten. Und da das Urvertrauen gestört wird entsteht ein misstrauischer Blick auf die Umwelt und das Umfeld. Das wird manchmal auch Urmisstrauen genannt.
Autoritäre Erziehung – was ist die Alternative?
Eigentlich ist bereits spätestens seit den 1950er Jahren Wissen aus der Bindungsforschung vorhanden, das gegen die autoritäre Erziehung spricht:
Antiautoritärer Stil
Für diejenigen, die sich damals früh dem autoritären Ansatz entzogen, war ein extrem antiautoritärer Stil oder auch laissez-faire Stil wahrscheinlich. In den 60er Jahren war das sehr üblich. Aber auch diese Erziehungsstile haben negative Folgen für Kinder. Dazu liest du mehr im verlinkten Artikel.
Der autoritative Stil
Auch bereits seit über 50 Jahren kennt man die deutlich positivere Wirksamkeit der autoritativen und der demokratischen Erziehung. Achtung es ist nur ein kleiner Unterschied im Wort AUTORITATIV, aber ein ganz anderer Ansatz als die autoritäre Erziehung.
Wenn du dich womöglich fragst, warum erst jetzt so ein großer Umbruch in den Erziehungsansätzen erfolgt: Unsere Eltern hatten noch nicht den Wissenszugang, den wir heute haben. Es bringt also nichts, ihnen diesbezüglich Vorwürfe zu machen.
Fazit – autoritäre Erziehung
Ich finde den prägenden Leitgedanken von Maria Montessori richtungsweisend: Hilf deinem Kind, es selbst zu tun!
…es steht nirgends, zwing dein Kind dazu, etwas so zu machen, wie du oder die Gesellschaft es für richtig halten. 😉Hinterfrage also die Haltung, die dazuführt, dass wir Kindern Vorgaben machen. Wo ist das wirklich notwendig, beispielsweise zum Schutz des Kindes. Du wirst erkennen, dass es häufig nicht notwendig ist und es alternative Wege gibt, dein Kind zu erziehen.
Lasst uns gemeinsam etwas verändern. Wissen teilen, welche Erkenntnisse es rundum Erziehungsstile gibt und erarbeiten, wie diese dauerhaft anwendbar sind.
Du willst deine eigene Erziehung verändern?
Wenn du das bisher selbst versuchst, aber noch nicht schaffst, bin ich sehr gerne auch als Beraterin für dich da. Dann helfe ich dir dabei, das zu erreichen, was du dir für deine Familie und im Umgang miteinander eigentlich wünschst. Melde dich dazu gerne für ein unverbindliches Erstgespräch.
Wenn du sofort loslegen willst, interessiert dich vielleicht auch mein online Training für Eltern. Darin lernst du viele Techniken kennen, damit du und dein Kind Herausforderungen gemeinsam lösen könnt. Und wie du es schaffst auch in angespannten Situationen geduldig zu bleiben.
Tipps und Übungen
Verdeutliche dir im Kontext “autoritär erziehen” immer wieder:
Ich freue mich, wenn du dazu meinen Blog weiterempfiehlst. Oder auch gerne auf die Unicef oder den Deutschen Kinderschutzbund verweist.
D. Baumrind (1991): Parenting styles and adolescent development. und
D. Baumrind (2012): Differentiating between confrontive and coercive kinds of parental power assertive disciplinary practices.
Clemens, Huber-Lang et al. 2018: Association of child maltreatment subtypes and long-term physical health in a German representative sample
Lesetipp:
Focus online 2024;
G. Gloger-Tippelt, J. Vetter, H. Rauh (2000): Untersuchungen mit der „Fremden Situation“ in deutschsprachigen Ländern: Ein Überblick. In: Psychologie in Erziehung und Unterricht
Habetha, Bleich et al. (2012): A Prevalence-Based Approach to Societal Costs Occurring in Consequence of Child Abuse and Neglect
Hughes, Bellis et al. (2017): The effect of multiple adverse childhood experiences on health: a systematic review and meta-analysis
R. Tausch und A.-M. Tausch (1998) Erziehungspsychologie: Begegnung von Person zu Person.
Witt, Brown et al. (2019): Prävalenz, Verlauf und Folgen multipler und kombinierter Typen von Kindesmisshandlung
UNICEF vollständige Studie – aktuelle Einstellung zu Körperstrafen und elterliches Erziehungsverhalten in Deutschland, 2020.
Von Marina Bernardo
Gründerin von Coachiba, Unternehmerin und zweifache Mama.
Alle Coachiba Blogbeiträge sind selbst verfasst und umfangreich recherchiert – ergänzt mit Tipps aus meiner Tätigkeit als Beraterin und Coach. Da im Netzt immer mehr Inhalte reiner KI-Tool Produkte auftauchen, ist es mir wichtig das bewusst zu machen.
Viel Spaß beim Lesen!