High Need oder schwierig? Verstehen, was dein Kind braucht
Warum dein Kind dich so fordert – und was wirklich dahintersteckt
Manche Kinder sind einfach „mehr“ – lauter, wacher, empfindsamer, fordernder. Vielleicht erkennst du dich darin wieder: Während andere Familien scheinbar mühelos durch den Alltag kommen, fühlst du dich mit deinem Kind oft am Limit. Du gibst alles, liebst dein Kind – und trotzdem gerätst du immer wieder an Grenzen. Viele Eltern erleben das mit einem sogenannten High Need Kind: Kinder, die intensiver reagieren, schneller überreizt sind und starke emotionale Schwankungen zeigen – typische High Need Kind Symptome. Von außen wirken sie oft wie schwierige Kinder – ein Missverständnis, das viele Eltern unnötig unter Druck setzt.
Genau an dieser Stelle lohnt es sich, genauer hinzusehen: Was unterscheidet ein High Need Kind eigentlich von einem „schwierigen“ Kind – und warum ist es so wichtig, diesen Unterschied zu kennen?
Was ist ein High Need Kind?
Ein High Need Kind ist ein Kind, welches seine Bedürfnisse besonders intensiv erlebt, ausdrückt und einfordert! Um ein High Need Kind zu erkennen, gibt es 12 Merkmale, die ich dir gleich vorstelle.
Bei einem High Need Kind sind nach Dr. Sears, dem “Erfinder”, alle 12 Anzeichen vorhanden. Es geht daher auch um die wichtige Anerkennung, dass es Eltern gibt, die besonders intensiv gefordert werden. Manche Eltern nennen sie daher auch “schwierige” Kinder. Die Ansätze zum Umgang mit “schwierigen” Kindern sind hier daher nicht wertend gemeint. Besonders dann taucht eben häufig die Frage auf “wie erziehe ich mein Kind?”.
Was ein High Need Kind von einem „schwierigen“ Kind unterscheidet
Wenn dein Kind dich im Alltag besonders fordert, fühlst du dich vielleicht hin- und hergerissen: Einerseits willst du konsequent sein, andererseits spürst du, dass herkömmliche Erziehungsstrategien einfach nicht greifen. Der Unterschied zwischen einem „schwierigen“ Kind und einem High Need Kind liegt genau hier – im Warum hinter dem Verhalten.
Ein sogenanntes schwieriges Kind zeigt Verhaltensweisen, die Eltern als anstrengend empfinden: starke Wut, Reizbarkeit, Widerstand. Bei einem High Need Kind steckt jedoch meist ein anderes Muster dahinter. Diese Kinder reagieren nicht, um Grenzen zu testen, sondern weil sie Reize, Frust oder Enttäuschung viel intensiver erleben als andere. Das Nervensystem läuft schneller in Alarm, Emotionen kippen rascher, und das Kind kann sich oft noch nicht selbst beruhigen – ein typisches Bild für High Need Kind Symptome.
Das heißt nicht, dass Erziehung überflüssig wäre. Im Gegenteil: High Need Kinder brauchen klare Orientierung – aber sie brauchen sie anders. Statt nur auf Konsequenz zu setzen, geht es darum, gemeinsam zu regulieren, Sicherheit zu geben und Wege zu finden, mit diesen starken Emotionen umzugehen. Wenn du diesen Unterschied erkennst, verändert sich euer Alltag spürbar: Weg von Schuldgefühlen, hin zu echtem Verständnis und Entlastung.
Verschwinden die High Need Kind Symptome?
Der gängige Ausdruck „High Need Baby“ lässt vermuten, es dürfte keine High Need Kleinkinder oder Kinder geben… Aber:
Wenn High Need Kinder ihre Bedürfnisse demnach intensiver wahrnehmen, bleibt dieses fordernde Wesen bestehen.
Viele High Need Kleinkinder werden dadurch zu besonders willensstarken Kindern. Das ist eine immense Stärke, wenn man sie als solche anerkennen lernt. Es wird jedoch häufig anders interpretiert und auch in meinem Eltern Coaching wird häufig der Umgang mit “schwierigen” Kindern angefragt. Deswegen geht es im ersten Schritt darum zu verstehen, warum dein Kind tut, was es tut und passgenau darauf reagieren zu können.
High Need Charakter und welche Eigenschaften
Es gibt 12 Charakteristika zum Erkennen von High Need Kindern.
Es gibt übrigens bei den High Need Symptomen in der zweiten Hälfte eine auffallend große Schnittmenge möglicher Anzeichen für Hochbegabung. Deswegen möchtest du vielleicht auch meine Artikelreihe zu hochbegabten Kindern lesen.
Little need for sleep – geringer Schlafbedarf
High Need Kinder weigern sich regelrecht zu schlafen. Und haben Probleme beim Durchschlafen. Diese Kinder sind auch in ihrem Schlafrhythmus sehr schnell durcheinander zu bringen. Anderes Wetter und schon kann der ewig entfallene Mittagsschlaf wieder da sein oder genau andersherum.
Auch können typische Rituale eher hinderlich sein. Viele High Need Kinder drehen beim Baden noch mal so richtig auf. Singen zum Einschlafen scheint für das High Need Kind zu bedeuten, dass jetzt die Party losgeht?! Auch Routinen müssen immer wieder neu entworfen werden.
High need for mum – braucht seine primäre(n) Bezugsperson(en)
Dadurch entstehen zuhause und außerhalb häufig Trennungsängste. Oder auch große Rivalität unter Geschwistern.
Viele High Need Kinder tun sich mit der Krippen- und Kindergarten-eingewöhnung aber auch möglicherweise beim Schulstart schwer. Jede Veränderung bedeutet erstmal die Notwendigkeit einer neuen Sicherheit für dein Kind.
High sucking need – hohes Nuckelbedürfnis
Diese High Need Kind Symptome bedeuten beispielsweise ein lange bestehendes Stillverhältnis. Oder das Kind nuckelt an einem Schnuller, einer Flasche oder am Daumen. Bei älteren Kindern kann das Nuckeln in Nägelkauen oder Lutschen an Kleidung übergehen. Denn das baut Stress ab.
Hyper-responsive to stimuli – Extreme Reaktionen auf Reize
High Need Kinder reagieren extrem auf äußere Reize. Die Reaktion auf Reize ist ein Mitgrund für die Schlafprobleme. Viele der Kinder reagieren stark auf Geräusche, Licht, Gerüche, Berührungen oder einen außergewöhnlichen Tagesablauf.
Es kann auch passieren, dass ein 2-jähriges Kind über Besuch so erfreut und aufgeregt ist, dass es erstmal auf den Besuch einschlägt. Das kann auch eine Form der missglückten Kontaktaufnahme sein. Deswegen ist der Umgang mit “schwierigen” Kindern auch so wichtig, denn eine böse Absicht steckt gar nicht hinter dem Verhalten.
Hyper when hungry – hyperaktiv bei Hunger
Vor allem wenn das Kind (oder auch der Erwachsene) vorher etwas Zuckerhaltiges gegessen hat, kann der Blutzuckerspiegel in der Folge schnell sinken und sogar Schwindel oder Übelkeit auslösen.
Highly creative – kreativ, auch im Finden von Unerwünschtem
Es wäre einfach mal schön, wenn dein Kind auch täte, was man ihm sagt. Hier gibt es eine große Parallele zu hochbegabten Kindern.
Denn High Need Kinder möchten wie hochbegabte Kinder verstehen, warum etwas so ist, wie es ist. Und ihnen fallen gleich mehrere Alternativen dazu ein.
Resisting Authority – „Ansagen“ infrage stellen
Sie fallen dann dadurch auf, dass sie „Autoritäten“ wie LehrerInnen oder ErzieherInnen infrage stellen und Regeln nicht befolgen. Das Bedürfnis nach Autonomie, der Wunsch, selbst entscheiden zu können zeigt sich. Perspektivisch ist dieser Charakterzug ein Geschenk. Regeln und Ansagen zu hinterfragen, Inhalte verstehen zu wollen und nicht einfach auszuführen.
Im Umgang mit “schwierigen” Kindern und dieser Verhaltensweise ist es unglaublich hilfreich dein Kind einzubinden.
Stubborn – stur
Ja, dein Kind ist willensstark. Und zwar so richtig. Viele Erwachsene können sich ein Beispiel an Kindern nehmen, wie vehement sie für ihre Wünsche und Forderungen einstehen. Denn vielen von uns wurde das „abtrainiert“. Und zwar so sehr, dass wir unsere Wünsche und Bedürfnisse häufig schon gar nicht mehr kennen.
In einem gesunden Rahmen sollten Kinder erlernen, warten zu können. Und dennoch aufmerksam ihre Bedürfnisse und Wünsche im Blick zu behalten.
Negative (Sichtweise)
Das geht nicht, und das will ich nicht, und auf die dritte Option habe ich keine Lust! So oder so ähnlich könnte dein High Need Kind sich ausdrücken. Dein Kind möchte gern entscheiden, und wenn es das nicht kann, wird es versuchen, dich zu überzeugen.
Opinionated – meinungsstark
Dein High Need Kind hat zu allem eine Meinung und ist überzeugt, dass diese immer richtig ist. Es kann ein ziemlicher Balanceakt sein, dein Kind inhaltlich zu „korrigieren“, ohne dass es noch mehr auf seinen Standpunkt beharrt.
High Need for Affirmation – Drang nach Bestätigung
Wenn ein Kind Bestätigung sucht, braucht es Sicherheit. Die Sicherheit kann sich auf verschiedene Bedürfnisse beziehen: angenommen zu werden, zugehörig zu sein, geliebt zu werden oder aber auch, dass die Fähigkeiten des Kindes anerkannt werden und du den benötigten Freiraum gibst.
Die anderen Verhaltensweisen von High Need Kindern machen die Tendenz, sie als selbstbewusste, “schwierige” Kinder einzuordnen. Jetzt ist aber GENAU DIESES Kind auch sensibel und braucht Bestärkung.
„It’s not my fault“ – „Ich kann nichts dafür!“
Ich war das nicht! Sie haben richtig tolle Ausreden. Für Kinder ist es jedoch ebenso wichtig, Verantwortung zu erlernen. Das geht jedoch nur, wenn sie ihre Verantwortung auch anerkennen können.
In den Beispielen, die Sears schildert, dreht sich die Diskussion darum, dem Kind irgendwie erst mal zu beweisen, dass es der Schuldige ist oder war. Deswegen rate ich dir von seinem Tipp zum Umgang mit “schwierigen” Kindern in dieser Situation auf alle Fälle ab.
Weil ein Kind, das einen Fehler wieder gutmachen soll und dies als Strafe auffasst, wird sicher einiges auf sich nehmen, um sicher nicht schuld zu sein.
Deine Erziehung kann die Symptome verschlimmern
Wenn dein Kind diese 12 Anzeichen zeigt, fragst du dich sicherlich häufig, ob du etwas falsch machst. Oder warum dein Kind so ist, wie es ist. Dazu erfährst du mehr im Artikel über High Need Baby.
Du bist aber nicht an den High Need Symptomen der Kinder schuld!
Außenstehende bieten statt Hilfe üblicherweise nicht hilfreiche Ratschläge, die deine Sorgen verstärken:
„Du musst konsequenter sein, mehr durchgreifen“
„Du bist selbst schuld, du bist ein Helikopter“
und verunsichern damit zusätzlich. Das ist jedoch das genaue Gegenteil dessen, was Eltern und Kinder brauchen.
Schwierige Kinder – was tun?
“Schwierige” Kinder benötigen Zuwendung und Unterstützung und auch sinnvolle, ruhig gesetzte Grenzen und Regeln. Das hast du sicher schon mal gehört, aber die Ausgestaltung im Alltag ist nicht einfach.
Studien zu diversen Herausforderungen mit Kindern, wie beispielsweise ADHS, aber auch kleineren, alltäglichen Situationen zeigen, dass Kinder 3 sogenannte Schutzfaktoren benötigen.