Kindererziehung Teil 1
Welcher Erziehungsstil passt zu mir und meiner Familie?
Es ist gar nicht leicht, für sich stimmige Erziehungsstile zu finden und dann wirklich auch zu leben. Gewaltfreie Kindererziehung als Ziel ist klar. Aber darüber hinaus fragst du dich im Alltag vermutlich dennoch häufig, wie Kinder richtig erziehen wirklich funktioniert. Oder suchst auch konkrete Hilfe bei der Kindererziehung.
In diesem Artikel liest du mehr über:
Was bedeutet Kindererziehung?
Unter Kindererziehung versteht man alle Maßnahmen, mit denen Eltern und Bezugspersonen Kinder auf ihrem Weg zu selbstständigen, verantwortungsvollen und sozial kompetenten Menschen begleiten. Sie beinhaltet Wertevermittlung, Stärkung des Selbtskonzeptes – wie Selbstbewusstsein, Eigenmotivation, Durchhaltevermögen und vielem mehr – Förderung von Fähigkeiten und den Aufbau einer sicheren Bindung.
Moderne Ansätze zur Kindererziehung setzen dabei auf gewaltfreie Kommunikation, Verständnis und emotionalen Support, erlernen einer effektiven Selbstwirksamkeit, um die individuelle Entwicklung des Kindes zu unterstützen.
Ziele in der Kindererziehung
Eltern haben übergeordnet häufig die gleichen Ziele: Die bestmögliche Entwicklungsbasis für Kinder und ein harmonisches Familienleben.
Wir möchten dieselben Ziele jedoch möglicherweise durch komplett unterschiedliche Erziehungsstile erreichen und glauben unsere Kinder damit “richtig” erziehen zu können.
Nicht selten ist das ein erheblicher Streitpunkt unter Eltern, oder den Eltern und den Großeltern etc. Obwohl jeder einzelne dabei jeweils das beste für das Kind will!
Unsere Kindererziehung fühlt sich dadurch für uns richtig an, auch wenn sie das womöglich nicht ist.
Denn jeder bringt individuell ein anderes Verständnis davon mit, was “Kinder richtig erziehen” bedeutet. Dabei spielen die übergeordneten Gruppen von verschiedenen Erziehungsarten eine wichtige Rolle. Wenn du sie schon kennst, überspring sie einfach.
Übergeordnete Erziehungsstile
Autoritäre Kindererziehung
Autoritäre Kindererziehung bedeutet ein Machtgefälle zwischen Eltern und Kindern, Strafen werden eingesetzt um Gehorsam zu erreichen. In diesem Erziehungsansatz werden die Grundzüge “gewaltfreie Erziehung” jedoch missachtet.
Körperliche Strafen sind seit 2000 in Deutschland sogar per Gesetz verboten (Bundesgesetzblatt, Nr. 48 vom 7. 11. 2000). Jedoch glauben nach wie vor 45% der Deutschen, dass Strafen in der Erziehung sein müssen. Dabei ist nachgewiesen, dass psychische oder emotionale Strafen, wie Drohungen, Schimpfen, Isolieren, dieselben Auswirkungen haben wie körperliche Strafen (Clemens, Huber-Lang et al. 2018 und Witt, Brown et al. 2019).
Laissez-Faire oder permissive Kindererziehung
Die Laissez-Faire oder permissive Kindererziehung ist das genaue Gegenteil der autoritären Erziehungsstile. Bei dieser Art der Erziehung darf das Kind alles tun und lassen, was es möchte. Das Problem dabei ist, dass Kinder jedoch Regeln und Grenzen ohne Härte brauchen, um einen sicheren Rahmen für ihre Entwicklung zu haben. Deswegen hat auch dieser Stil erheblich Folgen für das Kind – die findest du im verlinkten Artikel.
Autoritative Kindererziehung
Die autoritative Kindererziehung nutzt die elterliche Autorität fürsorglich, um in einem gemeinsamen Miteinander zu leben. Die Forscherin Diana Baumrind prägte diesen Erziehungsstil erheblich. Eltern sind immer noch diejenigen, die Regeln und Grenzen setzen, kontrollieren und für die Einhaltung sorgen. Dafür werden keine Strafen verwendet.
In Studien und Literatur wird häufig dieser Erziehungsstil beziehungsweise dessen Inhalte als besonders sinnvoll für eine positive Kinderentwicklung bewertet (beispielsweise von Baumrind, 1996; Walper, 2006 und Smolka, 2006).
Gewaltfreie Erziehung und bedürfnisorientierte Erziehung
In der bedürfnisorientierten Erziehung wird angestrebt, dass Eltern und Kinder in Beziehung gehen und die jeweiligen Bedürfnisse erfüllt werden. Eltern sind damit den Kindern nicht übergeordnet.
Spielräume in der Interpretation – leider entstehen bei diesem Ansatz einige Missverständnisse: Umstehende verwechseln es mit Laissez-faire Kindererziehung und raten zu mehr Härte.
Eltern hingegen verwechseln Bedürfnisse der Kinder häufig mit deren Wünschen. Jedoch ist es nicht Ziel, dem Kind alle Wünsche zu erfüllen. Mehr dazu im verlinkten Artikel…
Was ist in der Erziehung eines Kindes wichtig?
Erziehung ist individuell! Jedes Kind steht an unterschiedlichen Entwicklungspunkten und jedes Elternteil bringt verschiedene Erfahrungen mit ein. Einfühlsame Erziehung, die die Beziehung, Emotionen, Bedürfnisse und Kompetenzen würdigt bildet die Grundlage für die gesunde Entwicklung eines Kindes. Wichtige Aspekte sind emotionale Sicherheit, bei Bedarf klare Regeln, Respekt und wertschätzende Kommunikation. Dadurch bekommt ein Kind Halt.
Außerdem brauchen Kinder Freiraum, um eigene Erfahrungen zu sammeln, aber auch Orientierung durch verlässliche Bezugspersonen. Eine Balance aus Förderung, Geduld und Verständnis stärkt ihr Selbstbewusstsein und ihre soziale Kompetenz.
Nachweislich wirksame Methoden, die zu dir und zu deinem Kind passen, also auf euch abgestimmt sind, bekommst du hier im Elterncoaching.
Kinder “richtig” erziehen: wichtige Basics
Kinder lernen durch Beobachten und Nachmachen.
Sie leben nach, was sie erleben und sie spiegeln uns. Es bringt nichts, wenn du selbst ständig aufs Handy schaust, und dein Kind ermahnst, es nicht zu tun. Wenn du selbst nicht bitte und danke zu deinen Kindern sagst, werden sie es auch nicht tun.
Sie benötigen deine Beständigkeit: was du tust und wie du es tust. Und sie werden Phasen haben, wo sie alternative Vorgehensweisen ausprobieren. Wenn du dann mit Härte, Verboten und Strafen darauf einsteigst, wird sich dein Kind dir gegenüber in anderen Situation, die ihm wichtig sind, ebenso verhalten.
Um bestmöglich lernen zu können, brauchen Kinder Sicherheit.
Durch die sichere Bindung. Dadurch kommt meist den Eltern vor allem in den ersten Lebensjahren ein sehr großer Stellenwert zu, dieser bleibt jedoch weiterhin – auch in der Pubertät – erhalten.
Kinder lernen beim Spiel und durch Erfahrung
Vor allem bleiben emotionale Situationen besonders im Gedächtnis – im Positiven und im Negativen. Du kannst beim Lernen also mit gutem Gewissen auf Spaß setzen.
Eigene Erfahrungen bewirken dabei mehr als jegliche Erklärung. Denk dabei daran, wie ein kleines Kind lernt ein Glas Wasser einzuschenken.
Und dann kommt es anders als geplant…
Die Theorie umzusetzen ist in der Praxis häufiger schwierig als dir lieb ist. Wenn du dich in einem Konflikt oder einer schwierigen Phase mit deinem Kind befindest, dabei selbst emotional geladen und angestrengt bist, ist es oft schwer, sachlich, ruhig, zugewandt und geduldig zu sein. Häufig ist Folgendes daran beteiligt:
Transgenerationale Weitergabe
Wir leben häufig – nicht immer – intuitiv die Erziehung nach, die wir in unserer Kindheit erlebt haben oder was im Umfeld sichtbar ist. Das nennt sich transgenerationale Weitergabe (Grossmann, 1987, Verhage et al, 2020).
Ausgelöst durch Stress
Deine eigene Gefühlswelt steht dir möglicherweise im Weg. Der dadurch entstehende Stress löst die 3 Fs aus (Fight! Flight! Freeze! Oder auch Kämpfen, Flüchten, Erstarren), die dazu führen, dass du das eigene Kind als Gefahr wahrnimmst.
Denn Gewaltfreie Erziehung weckt auch Ängste
Falsche Glaubenssätze
Die Welt draußen ist schließlich kein Ponyhof, deswegen glaubst du vielleicht, dass dein Kind benachteiligt ist, wenn das familiäre Umfeld „zu weich und kompromissbereit“ ist.
Angstmacherei aufgrund vermeintlicher Fakten
„Was wird, wenn aus meinem Kind der gefürchtete Tyrann wird?“
Dazu muss etwas klargestellt werden:
In der Fachwelt wurden seine Äußerungen jedoch vorwiegend negativ beurteilt – unter anderem weil er nur eigene Fälle mit anderweitig nicht bekannten Diagnosen schilderte und keine neutralen Studien oder Nachweise lieferte.
Winterhoff wurde wegen schweren, nachgewiesenen Vorwürfen von Patienten verurteilt:
Eine im August 2021 ausgestrahlte ARD-Reportage über Winterhoffs Methoden deckte auf: jahrelange Verordnung von sedierenden Medikamenten für Minderjährige, die üblicherweise nur im Notfall einmalig eingesetzt werden. Er erfand den Befund „narzisstische Kinder“ und wendete selbst menschenunwürdige Genitaluntersuchungen während psychologischer Gutachten (!) an.
Von so einem Menschen lassen wir uns Angst machen?
Hilfe bei der Kindererziehung – durch Individualität
Es spielt in der Erziehung also vieles mit ein. Deine Erfahrungen, Überzeugungen und vielleicht auch Ängste. Und darüber hinaus, was dein Kind eigentlich braucht. Denn auch hier sind die Ausgangslagen nicht gleich.
Dadurch können in 2 unterschiedlichen Familien die Lösungen für das selbige Problem ganz unterschiedlich aussehen.
Denn beispielsweise bei Kindern mit besonderen Herausforderungen, wie ADHS, zeigen Studien und Erfahrungswerte, dass Regeln, Grenzen und Routinen eine besondere Wichtigkeit haben (Park, 2017). Während ein hochsensibles Kind womöglich kaum Grenzen braucht und ein sehr autonomes Kind wiederum sehr viel Mitspracherecht einfordert.
An der Individualität erkennst du gute Hilfe bei der Kindererziehung.
Hier gibt es individuelle Hilfe!
Tipps
Folgendes kann dir bei der Kindererziehung helfen
Mach dir bewusst, warum du dein Kind „erziehen“ willst!
Was soll es lernen? Vieles in klassischer Kindererziehung, zielt auf Gehorsam der Kinder ab.
Soll dein Kind auch als Erwachsener, tun was man ihm sagt? Mach dir bewusst, was Erziehungsstile bewirken können. Denn dein Kind soll doch reflektiert und selbstbestimmt seinen Weg gehen, sich einbringen und keine Angst davor haben, seine Meinung zu äußern. Und daran glauben, etwas bewirken und bewegen zu können!
Welche Verhaltensweisen deines Kindes treiben dich in die Verzweiflung?
Denn das sind häufig genau die, wegen denen wir uns Hilfe bei der Kindererziehung wünschen: Überlege dir, was eben genau diese Charakterzüge Positives bei einem Erwachsenen bedeuten würden! Widerspenstige Kinder werden eventuell zu durchsetzungsstarken Erwachsenen. Was fällt dir sonst noch ein?
Unterbinde seine Persönlichkeitsmerkmale nicht, sondern übe mit deinem Kind diese positiv einzubringen. Und bestärke dein Kind respektvoll, diese nicht zum Nachteil anderer einzusetzen. Kinder richtig erziehen bedeutet: Lebe vor, was du dir von deinem Kind wünschst!
Kinder lernen durch Beobachten und Nachmachen!
Hilfe bei der Kindererziehung: Du möchtest beispielsweise, dass dein Kind anders mit dir und anderen spricht? Respektvoller?
Wie sprichst du mit deinem Kind? Wie sprechen andere Bezugspersonen mit deinem Kind? Sagt ihr bitte und danke? Werdet ihr laut, wenn Euch etwas nicht passt? Du kannst deinem Kind nicht übelnehmen, wenn es erlebtes Verhalten kopiert. Du kannst ihm jedoch aufzeigen, wie es anders geht!
Kinder lernen im Spiel.
Deswegen ist Spielen so wichtig. Spiele mit deinem Kind. Erzählt gemeinsame Geschichten, in denen ihr zusammen bestehende Herausforderungen löst. Zeige deinem Kind, zu was es schon selbst in der Lage ist!
Nur weil du Erwachsen bist, heißt es nicht, dass dein Kind schlechtere Ideen hat. Kinder richtig erziehen, bedeutet ihnen auch Herausforderungen zuzutrauen und sie anzuleiten.
Du wirst erstaunt sein, zu sehen, was Kinder (in allen Altersgruppen) bereits selbst können. „Hilf deinem Kind es selbst zu tun!“ (Maria Montessori)
Das (negative) Verhalten deines Kindes ist eine Botschaft an dich!
Es steckt immer etwas dahinter. Doch gerade unerwünschte Verhaltensweise prädestinieren für Erziehungsstile, die nicht gewaltfreie Erziehung beinhalten. Um Kinder “richtig” zu erziehen”, lerne dein Kind kennen. Denn ein Kind sucht nach Aufmerksamkeit, auch negativer Aufmerksamkeit, um etwas mitzuteilen. Darum geh in Verbindung mit deinem Kind.
Wenn es dir schwer fällt mit deinem Kind in Verbindung zu gehen, liegt das nicht an deinem Kind! Deine Trigger, deine Verhaltensweisen, deine Verantwortung! Arbeite an dir und es wird Auswirkungen auf dein Kind haben.
Baumrind, D. (1996) The discipline controversy revisited. Family relations. 45, 405-414.
Clemens, Huber-Lang et al. 2018: Association of child maltreatment subtypes and long-term physical health in a German representative sample
UNICEF vollständige Studie 2020 – aktuelle Einstellung zu Körperstrafen und elterliches Erziehungsverhalten in Deutschland, 2020.
Klaus und Karin Grossmann (1987): Die Bedeutung der frühen Mutter-Kind Beziehung. Ergebnisse und Forschungen.
Park JL, Hudec KL, Johnston C. (2017) Parental ADHD symptoms and parenting behaviors: A meta-analytic review. Clin Psychol Rev. 2017;56:25–39.
Smolka, A. (2002). Beratungsbedarf und Informationsstrategien im Erziehungsalltag: Ergebnisse einer Elternbefragung zum Thema Familienbildung. (ifb-Materialien, 5-2002). Bamberg: Staatsinstitut für Familienforschung an der Universität Bamberg (ifb)
M. L. Verhage, C. Schuengel, R. Duschinsky, M. H. van IJzendoorn, R. M. P. Fearon, S. Madigan, G. I. Roisman, M. J. Bakermans-Kranenburg, M. Oosterman (2020): The Collaboration on Attachment Transmission Synthesis (CATS). A Move to the Level of Individual-Participant-Data Meta-Analysis.
Walper, S. (2006) Was die Wissenschaft über Erziehung weiß.
Witt, Brown et al. 2019: Prävalenz, Verlauf und Folgen multipler und kombinierter Typen von Kindesmisshandlung