Kindererziehung Teil 1
Welche Erziehungsstil passt zu mir und meiner Familie?
Happy Family und glückliche Kinder! Neue Wege in der Kindererziehung, um Konflikte friedlich zu lösen. Hier findest du Hintergrundinfos zu empfohlenen Erziehungsstilen, Beispiele, Anregungen, Hintergrundinfos und Übungen, die du gleich ausprobieren kannst.
Lies zuerst den Artikel „Ein Klaps auf den Hintern hat noch keinem geschadet.“ Falsch! …und lies danach hier weiter. 🙂
Denn herkömmliche Erziehung, wie wir sie meist selbst kennengelernt haben und leben, ist nachweislich nicht die beste Basis.
Immer noch fast jeder zweite Deutsche glaubt, dass ein Klaps auf den Po notwendig sei, obwohl dies seit 2000 gesetzlich verboten ist. Dabei wurde durch Studien nachgewiesen, dass auch forsche Kommunikation, Drohen und Strafen dieselben Langzeitfolgen haben wie körperliche Gewalt.
Kindererziehung ist so individuell wie jede Familie. Dabei sind die übergeordneten Ziele doch meist dieselben:
Ziele in der Kindererziehung
Die beste Entwicklungsbasis für Kinder ist nachweislich die Beziehung zu den primären Bezugspersonen. Sie beeinflusst tatsächlich sogar die Entwicklung des IQ (Intelligenzquotienten). Dadurch kommt meist den Eltern vor allem in den ersten Lebensjahren ein sehr großer Stellenwert zu, dieser bleibt bis in die Pubertät erhalten. Sekundäre Bezugspersonen wie Großeltern und Betreuuer, später auch die Freunde und Peergroup, spielen mit der Zeit eine größer werdende Rolle, umso mehr Präsenz sie im Leben der Kinder einnehmen.
Bindung entsteht jedoch zuerst Zuhause! Nicht umsonst ist die bindungsorientierte Erziehung populärer denn je. Dabei ist Bindungsorientierung jedoch nicht mit Laissez-faire oder antiautoritär zu verwechseln. Hier gibt es dennoch Struktur, Regeln und Grenzen.
Die große Mehrheit der Eltern möchte gewaltfrei und bindungsorientiert kommunizieren und erziehen. Jedoch ist das im Alltag häufig nicht umsetzbar. Aus diesem Grund möchte ich dir konkrete Handlungsoptionen in alltäglichen Konflikten aufzeigen und Übungen für deine persönliche Einstellung vorstellen.
Warum erziehen wir unsere Kinder überhaupt?
Um genau zu sein, ist das die Frage aller Fragen. Ich persönlich mag das Wort Erziehung nicht. Ich bevorzuge es, von Zusammenleben und Ausbildung zu sprechen. Denn das ist ja, was wir wollen, ein harmonisches Miteinander in der Familie und der Gesellschaft.
In der Kindererziehung möchten wir unsere Kinder glücklich und wertbeitragend in die Gesellschaft integrieren und sie bestmöglich darauf vorbereiten.
Wenn Kinder bei uns erleben, dass wir stets bitte und danke sagen, werden sie es früher oder später auch so übernehmen. Sie lernen nicht schneller, wenn du sie zur Wiederholung aufforderst. Einiges braucht seine Zeit, um erlernt zu werden, da die körperliche und geistige Reife sich bei Kindern naturgemäß erst noch entwickelt. Ein Kind, das dieses Verhalten bereits erlernt hat und nicht (mehr) anwendet, kann man dann durchaus unter vier Augen daran erinnern.
Dabei sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt, und deine Kids bringen sicherlich auch tolle Ideen ein. Das wird allen Beteiligten mehr Spaß machen, als gebetsmühlenartig auf den geraden Rücken, die Ellbogen, die Hand zum Mund und sonstige Abläufe zu pochen.
Denn selbstverständlich gibt es Handlungen und Abläufe, die von Kindern erst geübt und erlernt werden müssen. Hierbei kannst du als Ausbilder unterstützend tätig sein. Wenn ihr mit Spaß bei der Sache seid, wird es sicherlich leichter gehen.
Dabei finde ich den prägenden Leitgedanken von Maria Montessori sehr richtungsweisend: Hilf deinem Kind, es selbst zu tun!
…es steht nirgends, zwing dein Kind dazu, etwas so zu machen, wie du oder die Gesellschaft es für richtig halten. 😉
Eine Übung für dich
Klassische Erziehung kann nachweislich Verhaltensweisen oder Ausdrücke, die wir bei einem Erwachsenen durchaus als Stärke definieren würden, bremsen und sogar unterdrücken.
Nehmen wir beispielsweise Durchsetzungsvermögen, Standfestigkeit, Verhandlungsgeschick, Eifer und Energie.
Die Kinder können außerdem später die ursprünglich vorhandenen Stärken nicht einfach wieder aus dem Hut zaubern. So funktioniert die Unterbewusstseinsentwicklung leider nicht.
Nerviges Verhalten oder Botschaften unserer Kinder?
Kinder kommen kooperativ und kompetent auf diese Welt. Alle!
Das betont Jesper Juul, viel zitierter Familientherapeut und Autor. Es fehlt Kindern jedoch an Erfahrungen. Daher werden sie auf ihre Art und Weise experimentieren, um Erfahrungen zu sammeln! Und ja, das kann in der Welt eines Erwachsenen nerven.
Dabei ist es wichtig, dir bewusst zu machen, dass DU die Verantwortung dafür trägst, eine Umgebung zu schaffen, in der dein Kind überhaupt kooperativ sein kann. Denk an ein Kind, das sich gerade austoben möchte, es sprüht förmlich vor Energie. Wenn dein Kind in diesem Zustand Hausaufgaben machen soll, ist das Desaster vorprogrammiert …
Dein Kind IST aber dennoch von Natur aus kooperativ. Wenn es das gerade nicht ist, steckt etwas dahinter!
Auch kann man Kinder sehr stark in die Lösungsfindung miteinbeziehen, wenn man das Problem (gemeinsam) gefunden hat. Wie im Coaching kann das Kind mit Unterstützung eine Lösung durchaus selbst erarbeiten. Damit steigt die Identifikation mit der Lösung erheblich. Kinder und Jugendliche verfügen außerdem über ein deutlich höheres Maß an Motivation und Neugier, auch wenn es manchmal so gar nicht danach aussieht. Das ist eine hervorragende Voraussetzung, um Veränderungen erfolgreich umzusetzen.
Das kannst du versuchen
„Ich sehe, dass du sehr wütend/aufgewühlt/traurig bist.“
Dein Kind wird in seiner Emotion damit angenommen und bekommt zudem noch ein Wort für seine Emotion vermittelt.
„Fällt dir etwas ein, was dir guttun würde? …
Wenn ich wütend bin, hilft es mir, auf den Boden zu stampfen. Sollen wir das mal gemeinsam versuchen?“
Das fühlt sich für dich und dein Kind gleich ganz anders an. Außerdem sehe ich keine Nachteile darin, auf diese Art vorzugehen. Du vergibst dir damit nichts.
Im Gegenteil, du zeigst konstruktiv eine Lösungsmöglichkeit auf. Später kann man mit dem Kind immer noch darüber sprechen, was zu der Situation geführt hat und ob man es anders hätte angehen können. In dem Moment, in dem das Kind wütet oder sich entzieht, wird ihm das noch nicht möglich sein.
Es gibt noch einen weiteren Tipp:
Das wird sich zuerst seltsam für dich anfühlen, denn ich meine wirklich in dem Moment selbst, wo du beispielsweise wütend wirst, die Situation vor deinem Kind zu verbalisieren. “ Ich werde zu spät zu meinem Termin kommen, weil ich gerade meinen Autoschlüssel verlegt habe und ihn einfach nicht wiederfinde. Ich ärgere mich über mich selbst. Das hilft mir aber gerade gar nicht. Daher lasse ich den Ärger kurz zu und sage laut was für ein Mist! Aber dann atme ich zehn mal ruhig durch und konzentriere mich wieder.“
Neue Wege in der Kindererziehung brauchen Zeit
Ja, es kann dauern, dein Kind durch diesen neuen Prozess zu begleiten – und üblicherweise dann, wenn Zeit eh schon knapp ist.
Es lohnt sich jedoch, wann immer möglich, auf diese Art mit deinem Kind in Verbindung zu gehen. Es ernst zu nehmen, ihm beizustehen. Wenn du es ernst nimmst, lernt auch dein Kind ernst zu nehmen, wenn dir etwas wichtig ist. Denk dran, es lernt, was du vorlebst!
Was passiert im Alltag?
Die Theorie umzusetzen ist in der Praxis schwierig. Wenn du dich in einem Konflikt oder einer schwierigen Phase mit deinem Kind befindest, dabei selbst emotional geladen und angestrengt bist, ist es schwer, sachlich, ruhig, zugewandt und geduldig zu sein.
Häufig sind folgende Faktoren daran beteiligt:
Wenn’s brenzlig wird …
mit den Kids, versuchen Eltern daher „durchzugreifen“. Damit setzen sie gewissermaßen eine Abwärtsspirale in Gang. Denn Druck erzeugt Gegendruck. Nicht selten ist es außerdem notwendig, den Druck mit der Zeit immer mehr zu erhöhen, da sich das Kind an das gegenwärtige Level gewöhnt hat.
Kinder haben ausgeprägte Bedürfnisse und sind für deren Erfüllung von uns Eltern abhängig. Eltern setzen sich häufig über diese hinweg, entscheiden autoritär, top-down. Sie fordern damit Gehorsam.
Wolfgang Bergmann war Familientherapeut und Bekämpfer der schwarzen Pädagogik. Er bewertet die Forderung nach Gehorsam sehr scharf: Gehorsam behindert die Intelligenz, die Entfaltung und die Freiheit eines Kindes.
Gewaltfreie Erziehung weckt Ängste in uns Eltern:
Studien vergleichen Langzeiteffekte von verbaler und emotionaler Gewalt mit körperlichen Strafen. Die Auswirkungen sind tatsächlich dieselben. Das findest du im Beitrag „Ein Klaps auf den Hintern hat noch keinem Kind geschadet.“ Falsch!
Möchten wir also derartige Langzeitfolgen vermeiden, müssen wir „Erziehung“ anders leben, als es bisher großteils üblich ist! Es ist sehr wahrscheinlich, dass du nun das Bild vom verzogenen Kronprinzen im Kopf hast.
„Was wird, wenn aus meinem Kind der gefürchtete Tyrann wird?“
Dazu muss etwas klargestellt werden:
In der Fachwelt wurden seine Äußerungen jedoch vorwiegend negativ beurteilt – unter anderem weil er nur eigene Fälle mit anderweitig nicht bekannten Diagnosen schilderte und keine neutralen Studien oder Nachweise lieferte.
Nun muss er sich vor Gericht gegen schwere Vorwürfe von Patienten verteidigen.
Eine im August 2021 ausgestrahlte ARD-Reportage über Winterhoffs Methoden deckte auf: jahrelange Verordnung von sedierenden Medikamenten für Minderjährige, die üblicherweise nur in Notfallsituationen punktuell eingesetzt werden, die stets wiederkehrenden gleichen Beurteilungen „narzisstischer Kinder“ und herabwürdigende Genitaluntersuchungen während psychologischer Gutachten (!). Von so einem Menschen lassen wir uns bezüglich unserer Kinder Angst machen.
Empfehlung
Die ARD-Reportage „Warum Kinder keine Tyrannen sind“ möchte ich dir wirklich sehr ans Herz legen, wenn du dich mit der Tyrannen-These konfrontiert siehst. Es wird hier besonders deutlich, mit welchen Ängsten und Schuldgefühlen sich Eltern in Erziehungsfragen konfrontiert sehen.
Gewaltfreie Erziehung ist ein Geben und Nehmen.
Mit den Kindern in den Dialog gehen, ihnen ein Mitbestimmungsrecht einräumen, ihnen zuhören und ihre Sichtweise ernst nehmen. Sie beim Erlernen des Umgangs mit natürlichen Grenzen unterstützen. Das ist in jedem sozialen Miteinander notwendig.
Es geht nicht darum, Kindern alle Wünsche zu erfüllen, sondern ihre Bedürfnisse. Wünsche können jederzeit abgelehnt werden, es ist nur die Frage WIE wir das tun! Grenzen zu leben ist wichtig, da es auch erwiesen ist, dass eine zu permissive Erziehung, in der alles erlaubt ist, sich auch nicht förderlich auf Kinder auswirkt. Vor diesem Hintergrund gibt es wenige oder sogar keine zulässigen Argumente, die gegen eine gewaltfreie Erziehung sprechen.
Gleich weiterlesen in Teil 2 zum Thema Kindererziehung: Über Regeln und Grenzen …
Tipps
Folgendes kann dir helfen
Mach dir bewusst, warum du dein Kind „erziehen“ willst!
Was soll es lernen? Vieles in klassischer Erziehung, zielt auf Gehorsam der Kinder ab.
Soll dein Kind auch als Erwachsener, tun was man ihm sagt? Oder soll es reflektiert, selbstbestimmt, demokratisch und frei seinen Weg gehen, sich einbringen und keine Angst davor haben, seine Meinung zu äußern? Und daran glauben, etwas bewirken und bewegen zu können!
Welche Verhaltensweisen deines Kindes treiben dich in die Verzweiflung?
Überlege dir, was eben genau diese Charakterzüge Positives bei einem Erwachsenen bedeuten würden! Widerspenstige Kinder werden eventuell zu durchsetzungsstarken Erwachsenen. Was fällt dir sonst noch ein?
Unterbinde seine Persönlichkeitsmerkmale nicht, sondern übe mit deinem Kind diese positiv einzubringen. Und bestärke dein Kind respektvoll, diese nicht zum Nachteil anderer einzusetzen. Lebe auch vor, was du dir von deinem Kind wünschst!
Kinder lernen durch Beobachten und Nachmachen!
Du möchtest beispielsweise, dass dein Kind anders mit dir und anderen spricht? Respektvoller?
Wie sprichst du mit deinem Kind? Wie sprechen andere Bezugspersonen mit deinem Kind? Sagt ihr bitte und danke? Werdet ihr laut, wenn Euch etwas nicht passt? Du kannst deinem Kind nicht übelnehmen, wenn es erlebtes Verhalten kopiert. Du kannst ihm jedoch aufzeigen, wie es anders geht! Respektvoll.
Kinder lernen im Spiel.
Deswegen ist Spielen so wichtig. Spiele mit deinem Kind. Erzählt gemeinsame Geschichten, in denen ihr zusammen bestehende Herausforderungen löst. Zeige deinem Kind, zu was es schon selbst in der Lage ist! Nur weil du Erwachsen bist, heisst es nicht, dass dein Kind schlechtere Ideen hat.
Du wirst erstaunt sein, zu sehen, was Kinder (in allen Altersgruppen) bereits selbst können. „Hilf deinem Kind es selbst zu tun!“ (Maria Montessori)
Das (negative) Verhalten deines Kindes ist eine Botschaft an dich!
Es steckt IMMER etwas dahinter. Lerne dein Kind kennen. Suche nach dem unerfüllten Bedürfnis. Ein Kind sucht nach Aufmerksamkeit, auch negativer Aufmerksamkeit, um etwas mitzuteilen. Geh in Verbindung mit deinem Kind.